Unter meinen langjährigen Zuhörern in Waterbeach war eine gute, alte Frau, die ich Frau „Furchterfüllt“ nannte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie seit vielen Jahren im Himmel ist, aber sie hatte immer Angst, dass sie nie durch die Pforten der Herrlichkeit eingehen würde. Sie kam regelmäßig zum Hause Gottes und war eine wundervoll-gute Zuhörerin. Sie sog das Evangelium förmlich auf; aber nichtsdestotrotz war sie immer am zweifeln, am zittern, und sie fürchtete um ihre eigene geistliche Verfassung.
Sie war eine Gläubige in Christus seit fünfzig Jahren, wie ich meine. Dennoch verblieb sie ständig in diesem zaghaften, furchtsamen und ängstlichen Zustand. Sie war solch eine alte Seele, die immer bereit war, Nachbarn zu helfen, oder um ein Wort zu den Unbekehrten zu sprechen; mir erschien es so, als habe sie genug Gnade für gleich zwei Menschen, doch ihrer eigenen Meinung nach besaß sie nicht einmal die Hälfte der Gnade von einer Person.
Eines Tages, als ich so zu ihr sprach, erzählte sie mir, dass sie überhaupt keine Hoffnung hätte; also keinen Glauben. Sie glaubte, dass sie eine Heuchlerin wäre.
Ich sagte: „Nun denn, dann kommen Sie einfach nicht mehr in die Kapelle; wir wollen dort keine Heuchler. Wieso kommen Sie überhaupt?“
Sie antwortete: „Ich komme, weil ich nicht fernbleiben kann. Ich liebe das Volk Gottes; ich liebe das Haus Gottes, und ich liebe es, Gott anzubeten.“
„Nun“, sagte ich, „Sie sind eine seltsame Sorte von Heuchlerin; Sie scheinen einer wunderlichen Art von unbekehrten Frauen anzugehören.“
„Ach!“, seufzte sie, „Sie können sagen was Sie wollen, aber ich habe überhaupt keine Hoffnung, errettet zu sein.“
Also sprach ich zu ihr: „Nun, am nächsten Sonntag möchte ich Sie vor die Kanzel treten lassen, sodass Sie den Menschen sagen können, dass Christus ein Lügner ist, und dass Sie Ihm nicht vertrauen können.“
„Oh!“, rief sie, „ich würde lieber in Stücke gerissen werden, bevor ich so etwas sagen würde. Jesus kann nicht lügen! Jedes Wort, dass Er sagt, ist wahr.“
„Dann“, so fragte ich, „warum glauben Sie das nicht?“
Daraufhin antwortete sie: „Ich glaube es schon; aber irgendwie glaube ich das nicht in Bezug auf mich persönlich; ich habe Angst, ob es auch mir gilt.“
„Haben Sie denn überhaupt keine Hoffnung?“, fragte ich.
„Nein“, antwortete sie. Also holte ich meine Geldbörse hervor und sprach zu ihr: „Nun, hier habe ich 5 Pfund; es ist alles, was ich habe. Aber ich will Ihnen diese 5 Pfund geben für Ihre Hoffnung, wenn Sie diese verkaufen wollen.“
Da schaute sie mich verwundert an, was ich denn damit meinte. „Was?!?“, rief sie aus. „Nicht für tausend Welten würde ich sie verkaufen!“
Ich erwarte voll und ganz, diese gute, alte Seele wiederzusehen, wenn ich in den Himmel komme; und ich bin sicher, dass sie mir sagen wird: „Oh, mein lieber Herr, wie töricht ich doch war, als ich da unten in Waterbeach wohnte! Jammernd wandelte ich den ganzen Weg hin zur Herrlichkeit, wenn ich doch auch singend dort hin gelangt wäre. Ich war immer nur besorgt und furchtsam, aber mein lieber HERR hielt mich durch Seine Gnade und brachte mich sicher hier her.“
Sie verstarb sehr friedlich; mit ihr war es so, wie mit der Frau „Furchterfüllt“ in John Bunyans „Die Pilgerreise“. Diese war die Tochter von Herrn „Verzagt“. Herr „Mutherz“ hatte einige Schwierigkeiten mit diesen armen Pilgern auf dem Weg in die himmlische Stadt. Denn wenn auf dem Weg auch nur etwas Stroh liegen würde, so hätten sie Angst, dass sie darüber stolpern könnten. Dennoch schrieb Bunyan: „Als für sie die Zeit zum Aufbruch gekommen war, gingen sie zum Flussufer hinab. Die letzten Worte von Herrn Verzagt waren: „Lebe wohl, Nacht; willkommen Tag.“ Seine Tochter ging singend durch den Fluss…“
Unser Herr macht es oft ruhig und friedlich, oder sogar freudig und triumphal für seine reisenden Pilger. Einige Seiner größten Heiligen legt Er in der Finsternis zu Bett, und sie wachen im ewigen Lichte wieder auf; aber Er lässt immer wieder die Kerze brennen für Herrn „Ängstlich“, Herrn „Kleinmütig“, Herrn „Hinkfuß“, Herrn „Vezagt“ und für Frau „Furchterfüllt“. Sie legen sich im Licht schlafen, und sie wachen ebenfalls im Land auf, wo das Lamm für alle Ewigkeiten die Herrlichkeit ist.
-Charles Spurgeon – Autobiographie